Recyclingpapier: Wie Tabak und Toilettenpapier Librio ins Straucheln brachte
2 minute readAlles begann mit einer Email
Seit es Librio gibt, drucken wir unsere Bücher auf Recyclingpapier. Anfang des Jahres erreichte uns eine Email von unserem englischen Druckpartner, die bei uns, gelinde gesagt, wenig Begeisterung ausgelöst hat.
Lieber Ed,
Die Fabrik, die Euer recyceltes Papier herstellt, wurde leider geschlossen.
Es ist daher wahrscheinlich, dass wir 2019 Produktionsprobleme haben werden.
Wir arbeiten an einer Alternativlösung.
Beste Grüße und Frohes neues Jahr,
James
...Ja danke, dir auch ein frohes neues Jahr...
Bei der angesprochenen Firma handelte es sich um ArjoWiggins, eine der ältesten Papierfabrik Europas und Hersteller von Cocoon, dem fantastischen Papier, auf das wir unsere Bücher drucken.
ArjoWiggins stellte Anfang 2019 den Antrag auf ein Insolvenzverfahren. Gleichzeitig suchte das Unternehmen nach potenziellen Käufern. Dafür erhielt es vom Handelsgericht drei Monate Zeit.
Leider erfolglos, wie sich Ende März herausstellte. Die Produktion des qualitativ sehr hochwertigen Recyclingpapiers musste mit sofortiger Wirkung eingestellt werden. Die letzte Stunde von Cocoon hatte geschlagen.
Viel schwerer als der Verlust unseres Lieblingspapiers wog aber die Tatsache, dass durch die Schliessung der Produktionsstätte in Bessé-sur-Braye 600 Mitarbeiter ihre Jobs verloren hatten.
Die Arbeitslosigkeit im Umkreis des Werks, wo seit 1800 produziert wurde, beträgt nun 28%. Der Bürgermeister sprach von einem “sozialen Tsunami”.
Zigaretten und Toilettenpapier
Wie konnte es aber so weit kommen?
Die Antwort ist überraschend:
Schuld sind vermutlich die Tabakindustrie und ein Toilettenpapier-Hersteller.
Die Zusammenhänge, die dazu geführt haben, sind etwas komplex. Daher wollen wir euch damit nicht langweilen (wer sich langweilen will, findet hier mehr Informationen). Kurz gesagt ging es aber um einen Rechtsstreit zwischen British American Tobacco und der Mutterfirma der ArjoWiggins Gruppe. Die Klage belief sich auf 205 Mio EUR. Gerüchteweise führte dies zur Insolvenz der Gruppe.
Und dann kam der Toilettenpapier-Riese Wepa ins Spiel. ArjoWiggins war die Mutterfirma eines Unternehmens, das Deinkzellstoff herstellte. Deinkzellstoff ist ein entscheidenender Bestandteil bei der Herstellung von Recyclingpapier. Diese Sparte wurde von Wepa aufgekauft und vor der Insolvenz gerettet. Hurra. Europas größter Hersteller von Deinkzellstoff überlebt…
Naja…
Wepa entschied leider, sämtlichen guten Deinkzellstoff für sein Toilettenpapier zu nutzen. Dies ist natürlich das gute Recht des Unternehmens. Die Konsequenz ist allerdings eine Verknappung im Markt für Recyclingpapier, die ganz Europa trifft. Und weil Verknappung zu erheblichen Preisanstiegen führt, “freut” sich gerade eine ganze Branche darüber. Inklusive Librio.
Und wie geht’s weiter?
Die Situation auf dem Papiermarkt hat uns über Wochen Kopfschmerzen bereitet.
Einige unserer Partner wollten uns davon überzeugen, auf nicht recyceltes Papier umzusteigen. Dies kam aber für uns nicht in Frage. Also haben wir während der letzten Monate nach einer überzeugenden Lösung gesucht.
Die Alternativen, die wir gefunden haben, sind alles andere als günstig. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung ist, weiterhin auf Recyclingpapier zu drucken. Seit der Firmengründung von Librio war das gesamte Team der der Überzeugung, dass dies Teil unserer DNA sein sollte. Und wir wissen, dass viele von Euch diese Einstellung mit uns teilen.
Wir testen gerade noch, auf welchem Papier wir in Zukunft drucken werden. Zum Glück haben wir noch etwas Zeit: Unsere Druckpartner haben sämtliches Recyclingpapier, das noch verfügbar war, aufgekauft. Das reicht noch für ein paar tausend Bücher :-).